
© Helmut Newton Foundation |
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Mit dieser Ausstellung wird der 100.Geburtstag des deutsch-australischen Fotografen (1920–2004) gefeiert – coronabedingt verzögert, aber umso umfassender circa 250 Arbeiten, die Newtons gesamtes Schaffen dokumentieren. Helmut Newton, eine kontroversielle Figur, die bis heute fasziniert und provoziert, ist in erster Linie durch seine Frauenbilder bekannt: mächtig, aggressiv, selbstbewusst – nackt und bekleidet – präsentieren sie sich dem Zuschauer.     |
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Tatsächlich entwickelt sich Newtons Karriere durch seine Modefotografie – die auch im Zentrum dieser Ausstellung steht. 1938 als Jude vor den Nationalsozialisten nach Australien geflüchtet, beginnt er dort Mode zu fotografieren. Seine ihm eigene Bildsprache findet er dann im Paris der 1960er-Jahre: Er eröffnet ein neues Kapitel der Modefotografie, indem er die „Objekte der Begierde“ in einen (fiktiven) Kontext setzt, Atmosphäre schafft und den Zeitgeist einfängt. Inspiriert ist er dabei in den 1960er-Jahren von Raymond Chandlers Kriminalromanen oder dem amerikanischen Film Noir, später sind es Filme von Alfred Hitchcock und François Truffaut oder die Abenteuer von James Bond.
Es sind die teilweise engen Rahmenbedingungen und Erwartungen seiner Auftraggeber, die ihn dazu reizen, traditionelle Darstellungsmodi zu hinterfragen – so beginnt er seine Modelle zu inszenieren: in den Straßen von Paris, in Stundenhotels oder im Rahmen einer Paparazzi-Story. Mit meist schrillen theatralischen Settings kreiert Newton in der durch Luxus und Exzentrik bestimmten Szene der Haute Couture eine Stimmung von Eleganz und Ambivalenz.
Newton fotografiert im Auftrag bekannter Modemagazine, für die französische, italienische, amerikanische und die englische „Vogue“, „Elle“ oder „Queen“, und fasziniert so ein Millionenpublikum. Seine mitunter provozierenden Aufnahmen erreichen ikonischen Status.
In den frühen 1980er-Jahren wendet Newton sich der Aktfotografie zu. Mit den legendären Diptychen der Serie „Naked“ and „Dressed“ zeigt er Modelle in identischer Pose nackt und bekleidet: Hier provoziert Newton genauso wie mit den „Big Nudes“–Porträts lebensgroßer Modelle in beinahe kämpferischer Nacktheit, deren Sexualität selbstbestimmt und handlungsaktiv wirkt.
In Zusammenhang mit der herrschenden #MeToo-Debatte wurde Newton niemals genannt – die Frauen, die für ihn nackt posieren, erzählen darüber entspannt und erwähnen eher seinen Humor beim Shooting, das im Übrigen häufig von June Newton begleitet wurde. Dennoch gab es immer Stimmen, die Newtons Blick auf die Frau kritisierten. Die prominenteste ist die der amerikanischen Kulturwissenschaftlerin Susan Sonntag, die Newton 1979 in einer Talk-Show Sexismus und Frauenfeindlichkeit vorwarf und seine Fantasien als monströs klassifizierte.
Newtons genreübergreifende und provozierende Fotografie, die sich über sechs Dekaden erstreckt, entzieht sich jeder Kategorisierung. Konsum und Eleganz, Stil und Voyeurismus verbindet Newton zu einer unnachahmlichen, kaum zu entwirrenden Melange. Diese große Schau lenkt den Blick auf dieses Ganze, das den sich wandelnden Zeitgeist von den 1960er-Jahren bis an die Jahrtausendwende widerspiegelt. [pge]

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