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Mit dieser kleinen Kabinettausstellung holt das MAK die gestalterische, ästhetische und inhaltliche Vielfalt eines Mediums vor den Vorhang, das uns allen vertraut ist: Bilderbücher. Sie sind weder „Kinderkram“ noch IllustratorInnen vorbehalten, es gibt sie für Kinder und Erwachsene zu verschiedensten Themen, in eindrucksvoller Weise drücken sie unterschiedliche künstlerische Tendenzen und gesellschaftliche Themen über das Medium Buch aus.     |
von: 12.Oct 22
bis: 5.Mar 23
Museum für angewandte Kunst -MAKStubenring 5 1010 Wien, AT Tel: +43 1 712 80 00 Fax: +43 1 713 10 26 Email: office ::: mak. at http://www.mak.at/Öffnungszeiten: Di – So, Fei 10 – 18 Uhr
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Die Schau zeigt eine Auswahl herausragender Bilderbücher von den 1960er Jahren bis heute, etwa von Sonia Delaunay, Warja Lavater, Bruno Munari, Olaf Nicolai, Dieter Roth und Lawrence Weiner. Viele KünstlerInnen sehen im Bilderbuch eine wesentliche Plattform für ihre künstlerische Arbeit und richten sich damit vor allem an ein erwachsenes Publikum. In ihren Bilderbüchern spiegelt sich ihr Verständnis von Welt, sie verweisen auf Krisen, Gefahren und Katastrophen ebenso wie auf Hoffnungen, Schönes und die Möglichkeit eines friedlichen solidarischen Lebens.
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Für die Auswahl der Exponate war dem Ausstellungstitel entsprechend der künstlerische Anspruch ausschlaggebend, der sich in den Bildwelten manifestiert. Neben Leihgaben aus der Neuen Sammlung Friedrich C. Heller, der auch als Gastkurator fungiert, sind Objekte aus dem bedeutenden Bestand der eigenen Sammlung zu sehen. In insgesamt acht Kapiteln – „Bücher sind Räume“; „Fast nichts“; „Märchen. Andere Welten“; „Poesie der Zeichen“; „Schrift und Klang als Bild“; „Spuren der Kunstgeschichte“; „Stadt und Landschaft“ und „Welt der Krisen“ – thematisiert die Schau die gestalterische und inhaltliche Fülle im Medium Bilderbuch.
Die verschiedenen Kunstrichtungen - Impressionismus, Surrealismus, Suprematismus, Futurismus, Dada, Neue Sachlichkeit, abstrakter Expressionismus, Farbfeldmalerei, Pop Art, Minimalismus oder Fotorealismus - haben selbstverständlichen Eingang in die Welt der Bilderbücher gefunden. Für erwachsene RezipientInnen eröffnen sich – im lustvollen Wiedererkennen der Bezüge – neue Bedeutungs- und Interpretationsräume, für jüngere LeserInnen ebnet sich ein neuer Weg zur Vielfalt der künstlerischen Sprachen.
Aber auch künstlerische Reduktion birgt eine enorme ästhetische Kraft, wie beispielsweise in El libro negro de los colores (Rosana Faría und Menena Cottin, 2011) deutlich wird. Es enthält ausschließlich schwarze Seiten und regt damit, unterstützt durch einen poetischen Text, alle anderen Sinne zu intensiven Farbempfindungen an. In eindrucksvoller Weise führt es die Vermittlung von Farben für blinde BetrachterInnen vor – mit ertastbaren Bildern, dazu jeweils ein kurzer Text in Blindenschrift. Ein besonderes Beispiel für den Umgang mit Materialität im Medium Bilderbuch ist Bruno Munaris Werk I Prelibri aus dem Jahr 1980. In einer Kassette, die in ihrem Format den kleinen Händen von Kindern angepasst ist, versammelt es Bücher aus Holz, Stoff, Filz, Kunststoff etc.
Immer wieder spielen BilderbuchkünstlerInnen gekonnt mit Zeichen. So etwa Warja Lavater in Ergo (1987). Unter Verwendung von abstrakten Flächen und grafischen Zeichen, die durch ihre spezifische Gestalt und Farbigkeit emotional aufgeladen wirken, setzt es sich bildlich mit René Descartes berühmtem Diktum „cogito ergo sum“ (ich denke, also bin ich) auseinander. Von der Bedeutung der Arbeit mit Schriftzeichen zeugen insbesondere die sogenannten ABC-Bücher, die nicht nur der Einführung in die Schrift dienen, sondern in ihrer Vielfalt auch das bildnerische Denken anregen und schulen.
Seit den 1960er Jahren finden abseits der Darstellung „heiler Welten“ – etwa von Prinzessinnen, schönen Landschaften oder Tieren – auch schwierige und kritische Themen wie historische und Umweltkatastrophen oder gesellschaftspolitische Probleme wie Krieg und Migration Eingang in die Bilderbuchkunst. Damit öffnen ausgesuchte Ausstellungsexponate auch Imaginationen des Schrecklichen (Serena Viola und Francesco Guccini, Auschwitz, 2019), laden zum Mitfühlen und Mitleiden ein (Jens Thiele, Wenn auf den grünen Hügeln, 2010), packen die BetrachterInnen durch die Wucht der Darstellung (Ed Young und Kimiko Kajikawa, Tsunami!, 2009) oder bieten die Rolle der distanzierten Beobachtung an (Issa Watanabe, Migrantes, 2019).
Mit dieser Ausstellung wird einen Trend der Zeit aufgegriffen, denn ungeachtet der Tatsache, dass digitale Medien eine immer größere Rolle in allen Altersgruppen spielen, boomt der weltweite Büchermarkt insbesondere der der Bilderbücher. Unsere Lebenserfahrung, unser Alltag scheint zunehmend durch die Rezeption von Bildern bestimmt, das analoge Bilderbuch bietet für KünstlerInnen und GestalterInnen wie für LeserInnen ein ästhetisch unerreichtes Forum. [pge]

© MAK/Georg Mayer

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