
© Sammlung Oesterreichische Nationalbank, Foto: Graphisches Atelier Neumann |
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Im Jahr 1900, nur drei Jahre nach der Gründung der Wiener Secession, formierte sich mit dem Künstlerbund Hagen eine weitere Gegenbewegung zur renommierten Genossenschaft bildender Künstler Österreichs, dem Künstlerhaus. Der Konservativismus der bereits seit mehr als drei Jahrzehnten tonangebenden Künstlergenossenschaft hatte schon bald nach der Abspaltung der Secessionisten zu neuerlichen Spannungen mit den zukunftsorientierten Kräften innerhalb des Künstlerhauses geführt. 22 Künstler schlossen sich im Februar 1900 zum Künstlerbund Hagen zusammen.     |
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Für Leopold Museum Direktor Hans-Peter Wipplinger ist „die wechselvolle Geschichte des Hagenbundes, die von der Monarchie über die Ausrufung der Ersten Republik und das Intermezzo des austrofaschistischen Ständestaates bis hin zur Machtübernahme der Nationalsozialisten führte, als kulturelles Zeugnis und somit als eindrückliches Spiegelbild dieser bewegten Zeit zu lesen.”
Der Künstlerbund Hagen, benannt nach dem Gastwirt Josef Haagen, in dessen Bierlokal „Zum blauen Freihaus” in der Gumpendorfer Straße sich seit 1881 die Haagengesellschaft traf, war eine lose Künstlergruppierung, aus der sowohl die Vereinigung bildender Künstler Österreichs – die Wiener Secession – als auch der Hagenbund hervorgingen. Letzterer etablierte sich rasch als dritte große Künstlervereinigung zwischen der avantgardistischen Secession und dem traditionsverhafteten Künstlerhaus. Nach dem Austritt der Klimt-Gruppe aus der Secession 1905 und der Kunstschau Wien in den Jahren 1908 und 1909, erreichte der Hagenbund in den 1910er-Jahren einen bedeutenden Status als Plattform für junge und progressive zeitgenössische Kunst. Im Hagenbund dominierte die Malerei, doch auch Bildhauerei, Kunsthandwerk und architektonische Überlegungen fanden sich in den Präsentationen. Die Skulptur gewann mit den Beitritten des Keramikkünstlers Michael Powolny und des Metallbildhauers und Holzschnitzers Franz Barwig ab 1902 an Bedeutung.
Der Sitz und die Ausstellungsräumlichkeiten der Genossenschaft bildender Künstler Österreichs – seit 1976 Gesellschaft bildender Künstler Österreichs, Künstlerhaus – befinden sich seit 1868 im eigens errichteten Künstlerhaus, einem prächtigen Neorenaissancebau mit Blick auf die Karlskirche. Joseph Maria Olbrich hatte 1898 am Rande des Karlsplatzes, gegenüber dem Naschmarkt und unweit des Künstlerhauses für die Secession, gleichsam als architektonisches Gegenmodell ein markantes, modernes Jugendstil-Ausstellungsgebäude als Heimstätte der neuen Künstlerbewegung errichtet. Joseph Urban, Gründungsmitglied des Hagenbundes und neben Josef Hoffmann einer der kreativsten jungen Architekten Wiens, adaptierte 1901 einen ca. 400 m2 großen Teil der Zedlitzhalle – ein ursprünglich als Markthalle errichtetes Gebäude im ersten Wiener Gemeindebezirk – als Ausstellungsraum des neuen Künstlerbundes. Die 1902 erstmals bespielten Räumlichkeiten dienten als identitätsstiftender Präsentationsort für die Mitglieder des Hagenbundes. Die Halle mit ihren flexiblen Ausstellungswänden ermöglichte die Umsetzung innovativer Ausstellungskonzepte.
Die ursprünglich vorgesehene Förderung „rein österreichischer Ausstellungen” wurde durch ein dichtes, mit den Künstlerbünden der Kronländer Österreich-Ungarns geknüpftes Netzwerk erweitert, das den Weg für internationale Kunstpräsentationen ebnete. Der Hagenbund organisierte über die Kollektivausstellungen seiner Mitglieder hinaus Präsentationen internationaler Künstler*innen, so etwa von Arnold Böcklin (1903), Max Liebermann (1904/05) oder Constantin Meunier (1906). Darüber hinaus stand der Hagenbund in engem Austausch mit Künstlergruppierungen aus den benachbarten mitteleuropäischen Ländern, wie Manes in Prag, Sztuka [Kunst] in Krakau oder UME (Abkürzung von Új M?vészek Egyesülete [Vereinigung neuer Künstler]) in Budapest, aber auch mit deutschen, belgischen, englischen und skandinavischen Vereinigungen, die in der Zedlitzhalle auf Einladung des Hagenbundes gastierten. Im Zuge einer Schau zur schwedischen Kunst (1910) wurde Anders Zorn zu einem der ersten Ehrenmitglieder ernannt, 1912 stand Edvard Munch im Mittelpunkt einer Schau norwegischer Kunst. Zudem waren Formationen des Hagenbundes früh auf internationalen Ausstellungen vertreten, etwa 1904 bei der World’s Fair in St. Louis (USA), den Internationalen Kunstausstellungen in München (u.a. 1901 und 1905) oder der Esposizione internazionale di Belle Arti in Rom (1911).
Weder durch ein einheitliches Stilwollen noch ein künstlerisches Manifest festgelegt, versammelte der Hagenbund unter dem Credo größtmöglicher künstlerischer Offenheit im Laufe der Zeit über 266 Künstler*innen unterschiedlichster Gattungen und Stile, wobei für eine Mitgliedschaft weder das Religionsbekenntnis noch die politische Einstellung maßgeblich waren. Der kollegiale Austausch, „die Schätzung der individuellen Originalität des Einzelnen“ (Oskar Laske) oder auch die demokratische Zusammensetzung der Jurien waren ein wesentlicher Motor für künstlerische Innovationen. Die stilistische Bandbreite reichte hierbei vom Symbolismus und Jugendstil über den Expressionismus bis zur Neuen Sachlichkeit mit teils kubistischen und futuristischen Tendenzen. „Obwohl der Hagenbund zu den progressivsten Erscheinungen im frühen 20. Jahrhundert zählte, stand er stets im Schatten der Wiener Secession“, betont Ko-Kurator Stefan Üner im Katalog zur Ausstellung. „Als Sammelbecken vieler Stile vereinte der Hagenbund verschiedenste Persönlichkeiten und zeigte, was man in teils schwierigen Zeiten zu leisten im Stande ist”, so Stefan Üner. [pge]

© Leopold Museum, Wien, Foto: Leni Deinhardstein

© Leopold Museum, Wien, Foto: Leni Deinhardstein
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